Aus der Geschichte

Die Vereinheitlichung und Ausbreitung des Brown Swiss

Vorarlberg

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Kaltenegger berichtet in der Beschreibung des Viehbestandes von Vorarlberg, dass die beiden Gerichtsbezirke Bludenz Montafon und die Hochtäler des Bezirkes Feldkirch, sowie die Gemeinden Hochkrumbach, Schröcken und Damüls im hintersten Bregenzerwald ein geschlossenes Aufzuchtgebiet des Montafoner und Allgäuer Typs bildeten, während die übrigen Bezirke im Bregenzerwald, Rhein- und Illtal ein zusammenhängendes Milchnutzungsgebiet ohne einheitlich typierten Viehschlag darstellten.

Wenn er trotzdem für die acht Jahre 1869 bis 1876 insgesamt 72.958 bei den Zollämtern vermerkte, ausgeführte Kühe und Rinder, Stiere und Ochsen meldet, von einem Land mit einem Rinderbestand von rund 60.000 Stück, wird damit nicht nur die in gleicher Zeit registrierte Zufuhr von 47.111 Rindern (wohl zu einem großen Teil Schlachttiere) erklärlich, sondern auch die kritische viehwirtschaftliche Gesamtsituation des Landes, die bei der starken Vermischung mit verschiedenen Ersatztypen Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung von Zucht und Rasse dringend geboten erscheinen ließ.

Durch den unerhörten Aufschwung der Milchwirtschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und dem damit verbundenen gewaltigen Ausverkauf der Milchrassen war die Zucht ins Hintertreffen geraten. Aber bereits mit der 1862 erfolgten Gründung des Vorarlberger Landwirtschaftsvereins versuchte der züchterischen Interesselosigkeit in den Milchwirtschaftsgebieten entgegenzuarbeiten. 1869 wurde hier das erste Zuchtstiergesetz geschaffen. Förderung der Alpwirtschaft, Veranstaltung von Rinderschauen, veterinäre Verordnungen zur Verhinderung der Verbreitung von Viehseuchen (Viehpaß) waren die ersten Maßnahmen.

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Der gute Absatz für Montafoner Vieh weckte züchterische Ambitionen bei mit der Landwirtschaft damals wie zum Teil noch heute verbundenen Industriellen und ließ gerade in den Milchwirtschaftsgebieten mit uneinheitlichem Vieh züchterische Bestrebungen erwachen und die eigentlichen Zuchtgebiete erstarken.Am 9. Dez. 1893 wurde mit der „ersten Viehzuchtgenossenschaft Dornbirn“ auch die erste österreichische Viehzuchtgenossenschaft gegründet.

Schon einige Jahre später waren 17 Genossenschaften mit anfänglich großem Bereich registriert. Im neuen Zuchtstiergesetz aus dem Jahre 1896 wurde nur mehr die graubraune Landesrasse anerkannt und durch die eingeleitete Mischung eine Auflichtung der dunklen Typen in den Bergebieten angebahnt. Im selben Jahr kam ein „Regulativ in betreff der Subventsionierung der Viehzuchtgenossenschaften im Land Vorarlberg“ heraus, worin auch eine einheitliche Zuchtbuchführung festgelegt wurde. Diese Regelungen und die rührige Betreuung durch eine Viehzuchtkommissär ersetzten die sonst einem Zuchtverband gestellten Aufgaben. Mit dem Statut 1908 zur Bildung von Viehzuchtvereinen war der entscheidende Schritt für eine Rinderzuchtorganisation auf breiter Basis getan.

Bis zum Jahre 1914 bestanden bereits 38 Viehzuchtorganisationen, die schon fast das ganze Land erfassten, einheitliche Zuchtbuchführung und schöne züchterische Erfolge aufzuweisen hatten. Nach einem schweren Rückschlag durch den ersten Weltkrieg begann die züchterische Organisationstätigkeit von neuem und am 17. April 1923 schlossen sich 27 neue Züchtervereinigungen zum Vorarlberger Braunviehzuchtverband zusammen, der nun auch die Milchleistungskontrolle aufnahm.


Tirol

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Im heutigen Braunviehzuchtgebiet dieses Landes war in den achtziger Jahren im Lechtal und Außerfern der Lechtaler Typus und in einem großen übrigen Gebiet der Oberinntaler Schlag anzutreffen. Hier fand im Paznaun- und Stanzertal eine starke Vermischung mit Rindern des Montafoner Schlages statt. Der 18882 gegründete „Landes- Culturrath von Tirol“ brachte einen Aufschwung in die landwirtschaftliche Organisation. Bezirksgenossenschaften führten Stierprämierungen und Ausstellungen von weiblichen Tieren ein. Das erste Zuchtstiergesetz aus dem Jahre 1876 wurde 1896 erneuert und gebot die sofortige Abschaffung nicht lizensierter Stiere. Bedeutsam war die Abfassung von Musterstatuten für Zuchtgenossenschaften, die 1894 von der Landesanstalt in Rotholz vorgelegt wurden. Die danach gegründeten Genossenschaften Mieming und Strengen waren die ersten Tiroler Viehzuchtvereine im heutigen Sinn.

Im Jahre 1907 wurden der „Verband der Viehzuchtgenossenschaften im Oberinntal mit Sitz in Imst“ und der „Verband der Lechtaler Viehzuchtgenossenschaften“ gegründet. Während sich im Nachbarland Vorarlberg das Braunvieh gegenüber den Grauviehschlägen längst durchgesetzt hatte, entbrannte in Tirol ein heftiger Kampf zwischen den Verfechtern des heimischen Oberinntaler Grauviehs und den Anhängern von Schweizer und Montafoner Vieh. Die vorgenannten beiden Verbände, die eng zusammenarbeiteten, entschieden sich schließlich für die Zucht des „Tiroler graubraunen Gebirgsviehs“. Aus Vorarlberg wurden hauptsächlich weibliche Tiere, aus der Schweiz Stiere eingeführt und mit dem Landschlag aufgekreuzt. Graubraunes Vieh hatte gute Preise und drang rasch im westlichen Tirol vor. Die Überführung in Braunvieh war zuerst im Stanzer-, Paznaun und Lechtal abgeschlossen; die Umschichtung im mittleren Oberinntal ging langsamer vor sich und dauerte bis nach dem ersten Weltkrieg an. Im Unterinntal, wo Grauvieh nie vorhanden war, wurde Braunvieh zugeführt. Von 1906 bis 1914 schienen bei den Herdebuchaufnahmen 38 Stiere aus Vorarlberg und 42 aus der Schweiz auf, in den dreißiger Jahren überwogen die Einfuhren aus der Schweiz.

Seit dem zweiten Weltkrieg entstammen fast alle Stiere der Eigenzucht und es werden nur mehr wenige Tiere zur Blutauffrischung zugeführt. Die Hauptstierzuchtgebiete des Stanzertales und Paznauns wurden von Schweizer Vieh freigehalten, um Zuchtstiere bodenständiger Prägung im übrigen Land einsetzen zu können, auch wurde bei Importen aus der Schweiz darauf geachtet, Vieh aus benachbarten Hochgebirgskantonen mit harter Aufzucht zu beziehen. Im Jahre 1939 wurden die beiden Verbände im Oberinn- und Lechtal unter dem Namen „Tiroler Braunviehzuchtverband“ zusammengeschlossen.


Steiermark

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Von allen Ländern, in denen Braun-Grau-Vieh nicht ursprünglich vorhanden war, hat es in der Steiermark die längste Vergangenheit. Regent Karl II. ließ südwestlich Graz das Lustschloß Karlau errichten, in dessen großen Park auch die Meierei eingerichtet wurde, auf die sich der erste verbürgte Braunviehimport 1598 bezieht. Zehn Jahre später dürften sich bereits etwa 150 Stück Braunvieh auf den verschiedenen Betrieben der Herrschaft befunden haben.

Auch aus dem 17. Jahrhundert konnten Angaben über Braunvieheinfuhren aus der Schweiz gefunden werden. 1649 brachte Sigmund Ludwig Graf Dietrichstein zwölf Kühe und zwei Stiere auf die Herrschaft Rabenstein bei Fronleiten. Im 19. Jahrhundert, als die Milchwirtschaft große Bedeutung erlangte, wurde Kritik an den steirischen Rindern geübt und die Milchleistung von Allgäuern, Schwyzern und Oberinntalern gelobt. Herr von Körver- Bruck und Freiherr v. Hanstein erregten mit ihren Montafonern auf der Grazer Ausstellung 1880 Aufsehen. Das Braunvieh fand nun auch in bäuerlichen Kreisen Eingang, es setzte starke Zuwanderung von Vorarlberger Bauern ein, die ihre intensiven Wiesen- und Weidebewirtschaftungsmethoden und ihr gutes Vieh in Pacht- und Eigenbetriebe mitbrachten. Eine solche Braunviehinsel entstand Ende des vorigen Jahrhunderts in Gröbming.Bis 1900 ging die Verbreitung des Braunviehs vereinzelt vor sich.

1904 gründeten fünf Züchter mit 174 Tieren den ersten steirischen Milchkontrollverein. Die in Bezug auf Milch leistungsmäßige Überlegenheit des Braunviehs verschaffte der Rasse zunehmende Ausbreitung. 1906 wurde der „Zuchtverein für alpines Grauvieh der Steiermark“ ins Leben gerufen, der bis zum ersten Weltkrieg sehr zu kämpfen hatte, da die steirische Tierzuchtförderung in erster Linie auf die Eihaltung der alten Landrassen eingestellt war. Daß der Verband trotzdem langsam, aber stetig wuchs, war den objektiven Zahlen der Milcheistungsprüfung zu danken, die seit Bestehen des Verbandes bei allen Mitgliedern obligatorisch durchgeführt wurde. Im ersten Weltkrieg rückte die Ablieferungspflicht die hohe Milchleistung des Braunviehs ins rechte Licht, und war der Anstoß zur 1920 erfolgten Anerkennung als Landesrasse. Der Zuchtverein wurde in eine Genossenschaft mit dem Titel „Zuchtverband für das Braunvieh Steiermark“ umgewandelt und 1922 im neuen Tierzuchtförderungsgesetz den anderen steirischen Rinderrassen gleichgestellt.

Auch in Kärnten, Ober- und Niederösterreich hat sich das Braunvieh meist wegen der guten Milchleistung durchgesetzt und es sind ähnliche Entwicklungen vorangegangen bis die Rasse als Zuchtverband anerkannt wurde.

 

 

(Texte aus dem Buch „Rinderzucht in Österreich“ von Dr. Wilhem Müller)